Ein Beitrag zu MPEG-4 Broadcast --- Ein MPEG-4 Transport im Delivery Multimedia Integration Framework (DMIF) für das Broadcast Szenario unter Nutzung von IP-Multicast
Erschienen bei: | Michael Stepping, Siegen |
Erscheinungsdatum: | Oktober 2004 |
Kurzfassung
Die dieser Arbeit zu Grunde liegende Idee kann mit dem Schlagwort „Fernsehen über das Internet“ bezeichnet werden. Die stetig zunehmende Vernetzung der Haushalte ermöglicht es mittlerweile einer breiten Bevölkerungsschicht multimedial über das Internet zu kommunizieren. Der Standard MPEG-4 (Moving Pictures Experts Group) liefert eine komprimierte, einheitliche Be-schreibung (BIFS) für interaktive und objektbasierte Multimedia-Anwendungen (VRML) – die MPEG 4 Applikation. Diese multimedialen Datenströme werden als Multimedia-Objekte (AAC, AC 3, H.264, H.263, H.261, MPEG-2, ...) behandelt.
Der Transport dieser Datenströme geschieht mittels des Rahmenwerks Delivery Multimedia Integ-ration Framework (DMIF), welches die eigentliche Quelle der Datenströme vor dem audio-visuellen Darstellungswerkzeug (Player) verbirgt. Damit erfolgt mit der Schnittstelle DMIF Application Inter-face (DAI) die Trennung in einen medien- und einen netzunabhängigen Teil.
Hier setzt die Arbeit an. MPEG-4 Broadcast ist der unidirektionale, gleichzeitige Versand von Da-tenströmen von einer Quelle an viele Empfänger (Push-Szenario). Hierfür wird in dieser Arbeit IP-Multicast verwendet, welches die Datenströme erst in den an der Verteilung beteiligten Routern vervielfältigt.
Die vorgestellte unidirektionale DMIF-Signalisierung für das MPEG-4 Broadcast-Szenario ist als Generische Signalisierung für schmalbandige Netze und als IP-Multicast Signalisierung (SAP/ SDP) für breitbandige Netze entwickelt worden. Transportkanalinformationen wie Adresse (Socket) und Dienstgüte sowie Kanalbeziehungen zwischen den logischen Kanälen (Elementar-Datenstrom) und den Transportkanälen werden übermittelt. Für das bei dem Paradigma Fernsehen übliche spätere Einschalten eines Empfängers in eine lau-fende Übertragung, das sogenannte Late Tuning-In, überträgt die Signalisierung periodisch mit Ka-russell-Techniken die benötigten Informationen mehrfach. Auch das MPEG-4 typische Wurzelele-ment InitialObjectDescriptor (IOD) wird periodisch übertragen.
Für den Transport der Datenströme im Broadcast-DMIF wird das Echtzeit-Transportprotokoll Real-Time Protocol (RTP) über UDP/IP-Multicast verwendet und leistet die Inter- und Intra-Datenstrom-Synchronität. Aus den MPEG-4 Datenströmen werden die Zeitstempel aus dem spezifischen Syn-chronisation Layer entnommen. Die Informationen über den wahlfreien Zugriffspunkt (Random Ac-cess Point) müssen zusätzlich angepasst werden. Für das spätere Einschalten, Late Tuning-In, müssen des Weiteren statische Objekte (Stillbilder, ...) in einem Karussell periodisch übertragen werden. Beliebig große MPEG-4 PDUs werden in RTP-PDUs fragmentiert und reassembliert. Hier-für wurde das RTP-Protokoll erweitert. Das FlexMux-Werkzeug zum Multiplexen kleiner MPEG-4 PDUs wird nicht berücksichtigt.
UDP hat die Eigenschaft der Verkehrsverdrängung (non-TCP-friendly traffic), daher wird der Aus-gangsverkehr der Quelle der Datenströme (Broadcast-Server) mittels der Server Limited Bitrate (SLB) limitiert. Diese Bitrate wird eingeführt und ist die obere Grenze der aktuellen Ausgangs-Spitzen-Bitrate beziehungsweise die maximale Server-Ausgangsdatenrate und wird nicht über-schritten. Mittels Verkehrsglättung und -formung (Traffic Shaping, Rate Shaping) wird unter Ver-wendung verschiedener Scheduling-Algorithmen (FIFO, WRR, ...) der ankommende MPEG-4 Ver-kehr unter Ausnutzung statistischer Eigenschaften (Jitter, Delay) geglättet.
Für das Traffic Shaping wurde nicht der bekannte Sliding Window-Mechanismus, sondern die im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Virtuelle Blockierzeit verwendet. Dieser Zusammenhang ermit-telt aus der Größe der zu übertragenden PDU in Verbindung mit der SLB die virtuelle Übertra-gungszeit. In dieser Zeit darf keine weitere PDU den Broadcast-Server verlassen. Reale Einflüsse (Betriebssystem, Festplattenzugriffe, Netzwerkkarte) führen zu der Verfeinerung der Realen Blo-ckierzeit. Empfängerseitig werden die Datenströme wieder entzerrt und in Echtzeit an den Player abgegeben.
Mittels der Verkehrstheorie wird gezeigt, dass die Puffergröße und die Serververweilzeit der PDUs abgeschätzt werden können und nur von der Verkehrsankunftsrate am Broadcast-Server und den statistischen Eigenschaften der Varianzen der Ankunfts- und Bedienrate abhängen. Ebenso wird gezeigt, dass die Größe des Client-Puffers in der Größenordnung des Server-Puffers liegen sollte.
Es wird ein modularer Demonstrator mit Software-Engineering-Methoden zur Verifikation der theo-retischen Ansätze erstellt. Dieser besteht aus den Modulen Broadcast-Server, Broadcast-DMIF-Server, Broadcast-DMIF-Client und Player. Als Programm für die audio-visuelle Darstellung wer-den verschiedene MPEG-4 Player und als Datenströme werden selbst generierte MPEG-4 Appli-kationen verwendet. Hierbei werden bestehende Datenströme in MPEG-4 Audio- und Video-codierte Datenströme transcodiert. Die verkehrstheoretischen Ansätze und Abschätzungen, insbe-sondere das Traffic Shaping, werden mit dem Prototypen verifiziert.
Die entstandene Software ist mit den Methoden der objekt-orientierten Analyse, des Designs und der Programmierung (OOA, OOD, OOP) nach Object Modelling Techniques (OMT) erstellt worden. Die Ergebnisse wurden mit der Unified Modelling Language (UML) dokumentiert.
Der Demonstrator ist für Windows- und Linux-Betriebssysteme in portablem Source-Code in C++ erstellt. Dazu sind insbesondere die betriebssystemspezifischen Funktionen und Methoden in por-tablen Klassen gekapselt.
Prof. Firoz Kaderali | Druckansicht |